MARITA DAMKRÖGER gehört einer Generation von Malern an, die in ausreichender zeitlicher – und wenn man es noch so nennen will, postmoderner – Distanz zu den Grabenkämpfen der Avantgarde stehen, um mit einer gewissen Gelassenheit auf das umfangreiche Angebot zurückblicken können, das in jahrzehntelanger Pionierarbeit der Nachwelt ausgebreitet worden ist. Verschiedene malerische Ansätze und Verfahren kommen in Marita Damkrögers Bildern parallel zum Einsatz, etwa Drippings, All Over, Hard Edge, Color Field Painting oder grundlegende Aspekte der minimalistischen und konzeptuellen Malerei. Trotz eines erkennbaren Strebens nach formaler Kohärenz und kompositorischer Ausgewogenheit werden Widersprüche, wie sie in der Betonung von Flächenhaftigkeit oder Raumtiefe, großflächiger Gesamtwirkung und sich herauslösendem Detail zwangsläufig entstehen, ebenso wenig unterdrückt oder kaschiert wie das Aufeinanderprallen streng konstruktiver Planung und kalkulierter Zufallseffekte, etwa beim Herablaufen flüssiger Farbe.
Die „klassische“ Abstraktion, auch noch in den 1950er und 1960er Jahren, zielte bei aller Abkehr von traditionellen Kompositionsweisen doch auf eine formale Einheit ab, die gerade in der Unterdrückung außerbildlicher Assoziationen eine innere Geschlossenheit und „Selbstidentität“ bilden sollte. Auf solch eine Lösung zielt Marita Damkrögers Malerei nicht ab. Vielmehr benutzt sie ein offenes Repertoire formaler Lösungen, die durch ihre Verbindung auf einer neuen Ebene wieder produktive Widersprüche entfalten können.
Jedes ihrer Bilder weist eine formale Geschlossenheit auf deutet aber gleichzeitig auf die Kontingenz verschiedenster anderer Möglichkeiten, innerhalb derer es steht. Linearität, Serialität und Wiederholung, wie sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts als leitende Kriterien der ungegenständlichen Malerei auch vor einem technisch-industriellen Hintergrund entwickelt wurden, der von diesen Prinzipien bestimmt war, sind folglich keine Kategorien, die man heute auf ein Vorgehen wie das von Marita Damkröger sinnvoll anwenden könnte.
Vielmehr scheint Damkröger dem Diktum Heinz von Foersters zu folgen, stets so zu handeln, dass die Zahl der Möglichkeiten wachse. In anderen Worten: Statt eine Lösung, eine Antwort zu suchen, die eine Fragestellung abschließt, eher eine neue Ebene aufzusuchen, auf der die vermeintliche Lösung wieder zur Frage, zum Problem wird. So drückt sich in ihrer Malerei auch ein Lebensgefühl einer Zeit aus, die nicht mehr von linear operierenden Maschinen, sondern von Rückbezüglichkeit, ständiger Abrufbarkeit, Löschbarkeit und Veränderbarkeit geprägt ist. Es ist Malerei im digitalen Zeitalter, die sich aber weniger von einer „digitalen Ästhetik“ inspirieren lässt als von einem urbanen Lebensgefühl, das von der Virtualität digitaler Bildwelten mitbestimmt ist. Auch deshalb durchdringen sich in Marita Damkrögers Bildern verschiedene Raumvorstellungen, ohne sich in der Totalität einer einheitlichen Perspektive zu verbinden. Am Bildschirm des Computers können solche Räume jederzeit erscheinen und auch wieder verschwinden. Dass das am PC unproblematisch geht, ja auch so gedacht ist, heißt aber nicht, dass es sich bei der Malerei ebenso verhält. Dass sie gerade wegen ihrer traditionellen Eigenschaften, ihrer Materialität und Dauerhaftigkeit etwas hervorkehrt, was sonst vielleicht nicht mehr zum Vorschein käme, verleiht dem so oft totgesagten Medium wieder einmal unerwartete Aktualität.
Text Ludwig Seyfarth …
Marita Damkrögers künstlerische Haltung ist sowohl konzeptionell als auch ganz an den sinnlich erfahrbaren Eigenschaften der Malerei orientiert. Systematisch erforscht sie, wie Farbe auf Leinwand in verschiedenen Flüssigkeitsgraden, Techniken und Kompositionen reagiert. Dabei lassen sich verschiedene Werkgruppen unterscheiden, deren Charakteristika sich in den neuesten Werken auch miteinander verbinden.
Die großformatigen „Fließbilder“ leben von ihrer dichten, stark aufgeladenen Farbigkeit. Die Streifen, jenseits strenger geometrischer Askese, gehen im Wechselspiel zwischen linearem Fließen und schwingendem Impuls auf. Die Leichtigkeit der Ausführung und die schnelle, aquarellähnliche Umsetzung verdanken sie ihrem besonderen Entstehungsprozess: Denn die Künstlerin verzichtet völlig auf ihre eigene Handschrift, auf den selbstbestimmten, dem Pinsel gedankten Duktus, sondern lässt die Farbe eigenständig vom oberen Bildrand ausfließen. Ihre Form wird folglich von ihr selbst bestimmt bzw. von der Schwerkraft und der Saugfähigkeit des Trägermaterials. Die physikalischen Gesetzmäßigkeiten werden besonders dort sichtbar, wo sich eine Farbe aus ihrem linearen Verlauf ablenken lässt und die Bahn zu einer anderen Farbe hin wechselt. Ist das Bild fertig, wird es in die Horizontale gedreht – die orthogonalen Farbverläufe scheinen so auf dem Bildgrund zu schweben, gleichsam kraftvoll durchs Bild zu pulsieren. Sie strömen und oszillieren wie sanftes Licht, das sich auf einer herbstlichen Wasseroberfläche bricht. Kontinuierliche Bewegung, Rhythmus und auch Ruhe bestimmen ihre vorherrschende Atmosphäre, deren Stärke in ihrer unerhörten Präsenz und Dichte liegt. Dazwischen jedoch taucht der Blick immer wieder in die Leerstellen der Zwischenräume ab - sinnlicher Reiz zwischen Auslassung und Dichte, zwischen Stille und Bewegung.
Den farbintensiven Streifenbildern setzt Marita Damkröger ihre Serie der „Ausreißbilder“ entgegen, die von einem offenen, weißen Bildgrund dominiert
sind. Hier stehen Leere und Reduktion des Bildträgers in größtmöglichem Kontrast zu dem überschwänglichen Formenchaos, das sich an den strengen Kanten ereignet. Wie kristalline Eisblumen, die sich in der Winterkälte an
Fensterscheiben bilden, entstehen die mit dem Auge kaum zu verfolgenden minutiösen Formarabesken quasi von alleine und im Verborgenen: unter dem Klebeband nämlich, das die Künstlerin auf der Leinwand fixiert hat. Indem
sie mit sehr nassem Pinsel über die Ränder des Klebebandes malt, wird die Farbe unaufhaltsam unter die poröse Abdeckung gezogen und saugt sich in irrationaler Ornamentik in die Leinwand ein. Der anfängliche Unfall wird inzwischen gezielt zum Einsatz gebracht und bleibt dennoch vom Zufall
beherrscht. Denn obwohl der Prozess in gewisser Hinsicht vorkonditionierbar ist, durch die Wahl der Leinwand, des Klebebandes sowie der Farbkonsistenz, bleibt die bizarre Formfindung der Eigendynamik und kohäsiven Fähigkeit des
Materials überlassen.
Der dritte Werkkomplex sind die Formenbilder, in denen die elementare Einfachheit des Pinselstrichs zur Raumillusion wird. Die Bildfläche teilt sich in rechteckige und quadratische Felder, die ineinandergestaffelt werden, sich überlagern oder sich welchselseitig durchdringen. Es entsteht ein System aus geometrischen Formationen, das sich selbst unendlich weiter hervorbringen kann und wie Bausteine in einem kartographischen System wirkt. Dabei wird der Bildraum als Überlagerung verschiedener Strukturen definiert, Schicht schiebt sich über Schicht, die in die Tiefe des Bildes vordringen oder aus dem Bild hinaus streben – suggestive Visualisierung einer Raumtextur, die sich in den vielschichtigen Ebenen des Bildes wie in einem Labyrinth auflöst.
Text Carina Herring …